Vor über 700 Jahren als Fischweiher angelegt, ist der Dutzendteich in Nürnberg bis heute Karpfenweiher und gleichzeitig ein wunderbares Fleckchen, an dem ich mitten in der Großstadt der Natur so recht auf die Pelle rücken kann.
Bänke rund um den Dutzendteich
Rund um den kleinen Dutzendteich stehen ausreichend Bänke, auf denen ich mich geruhsam niederlassen kann. Auf einer von ihnen nehmen wir Platz, haben einen ungestörten Ausblick auf den kleinen Teich direkt neben dem großen Dutzendteich. Ab und an, aber eher selten, trabt ein Jogger vorbei, die meisten von ihnen haben verstöpselte Ohren und richten ihren Blick geradeaus auf den Weg. Gelegentlich fährt ein Radfahrer durch. Es ist hier viel ruhiger, als ich eigentlich gedacht habe. Immerhin sitze ich mitten in Nürnberg, einer Stadt, in der über eine halbe Million Menschen wohnen. Da hätte ich durchaus erwartet, dass hier mehr los ist. Aber vielleicht sind ja momentan alle an der Arbeit und kommen erst dann, wenn wir wieder weg sind.
Frühstück unterwegs
Weil sitzen und gucken hungrig macht, haben wir ein Frühstück eingepackt. Das Frühstück nicht am Tisch, sondern unterwegs zu essen, ist immer etwas Besonderes. Es erinnert mich an meine Kinderzeit, als wir unterwegs oder während einer Zugfahrt unsere belegten Brote auspacken und einfach essen konnten, wenn wir hungrig waren. Damals gab es noch nicht an jeder Ecke einen Bäcker – außerdem wollten wir unser Taschengeld nicht für schnödes Essen ausgeben. Überhaupt warten heute in der Küche viele leckere Dinge darauf, dass sie von uns gegessen werden. Da ich selbst entscheide, kommt genau das aufs Brot, was ich gerne esse. Ziemlich schnell sind genügend belegte Brote gebastelt, dazu legen wir ein paar Tomaten und zwei Äpfel in den Korb. Auf dem Herd kochen inzwischen die Eier im Töpfchen, die brauchen nur ein paar Minuten, bis sie nicht ganz hart sind. Noch eine Flasche Wasser, Apfelsaft und zwei Becher. Fertig.
Blesshühnchen guckt zu
Ich beiße mich durch mein Käsebrot, während das Blesshuhn am Ufer nach seinen Jungen mit Tönen ruft, die mich an die Hupe von einem alten Auto erinnern. Das Hühnchen ruft und guckt mir beim Essen zu. Habt ihr schon mal gegessen, während euch eine hungrige Mutter beobachtet hat? Nein? Ich weiß zwar nicht, ob hier das Füttern von Schwänen und Blesshühnern erlaubt ist, vermutlich nicht. Trotzdem beiße ich ein kleines Stückchen von der Brotrinde ab und werfe es zum Blesshühnchen. Es kommt. Es wagt sich bis zum Brotkrümel, nimmt es in den Schnabel und flitzt zurück zum Teich. Hier tunkt es das Bröckchen ins Wasser und bringt es einem der fiependen Jungvögel. Weil sich das Blesshühnchen aus dem Wasser herausgetraut hat, kann ich sehen, dass dessen Füße irgendwie seltsam aussehen. Ich kannte bisher nur die watschelnden Füße der Enten und Schwäne, doch das Blesshühnchen trägt Füße, die mich an Tang erinnern.
Schwan und Kormoran am Teich
Der junge Schwan dagegen bleibt im Teich, so halb hinter dem Schilf versteckt. Er guckt ein bisschen wie ein trauriger Teddybär, doch er wagt sich nicht aus dem Wasser heraus.
Überhaupt gibt es hier viel zu gucken, obwohl wir ja nur auf der Bank sitzen und unser Frühstück essen. Während ich mich also darüber freue, wie das Blesshühnchen den Brotkrümel ins Wasser tunkt, um damit sein Kind zu füttern, beobachtet der Mitbewohner die Kormorane auf den Bäumen gegenüber. Einer von ihnen hat auf einem kahlen Baum seine Flügel zum Trocknen aufgespannt und bewegt sich keinen einzigen Millimeter. Dabei wartet der Mitbewohner so sehnsüchtig auf ein Lebenszeichen, dass er ganz begeistert ruft: „Er hat gekackt!“, als der Kormoran einen weißen Flatschen absetzt, genauso einen, die bereits ungezählt den Baum bedecken.
Die Große Straße bis zum Zeppelinfeld
Nach dem Frühstück gehen wir weiter, am Dutzendteich entlang und über die Große Straße in Richtung Zeppelinfeld. Die Granitplatten sind mit Gummi verziert: Hier hat irgendjemand seine Reifen gründlich abradiert.
Die Straße ist riesig, gerade weil sie so breit geradeaus führt und völlig leer ist. Rechts und links sind noch überwachsene Stufen zu erkennen. Wäre hier normaler Verkehr, so vierspurig, wie am Plärrer oder anderswo, würde diese Straße überhaupt nicht mehr so monumental wirken, wie sie jetzt aussieht. Was wirkt, ist diese Leere: Eine breite Straße, die ins Nichts führt und nur von ein paar Büschen gesäumt wird.
Das Grün ist stärker als der Beton
Rund um das Zeppelinfeld hat sich das Grün längst die Treppen zurückerobert, die einst zu den Stelen führten. Auf diesen standen die Flakscheinwerfer, die einen Lichterdom in den Himmel zauberten, der bis Prag oder Frankfurt zu sehen war. Sechs Kilometer hoch reichte das Licht. Damit sich jeder vorstellen kann, wie das einst ausgesehen hat, zeigen Fotos entlang der Strecke Bilder von früher. Vor der Zeppelinhaupttribüne warnt ein Schild: Betreten nur auf eigene Gefahr. Die Fotos auf den Tafeln zeigen, wie es innendrin aussieht, dort, wo niemand hinkommt: Die Stadt bräuchte dringend Geld, damit die Bauwerke erhalten bleiben. Seit die oberste Reihe der Pfeiler nicht mehr existiert und damit schützt, dringen Regen und Feuchtigkeit in die darunter liegenden Räume.
Größe? Alles relativ
Der Blick von der Haupttribüne über das Zeppelinfeld zeigt: So groß ist das alles gar nicht. Klar, die Türen zu den jetzt versperrten Treppenhäusern sind riesenhoch.
Aber das eigentliche Zeppelinfeld wirkt für meinen heutigen Blick relativ klein. Dieser ist schließlich an der Größe von Möbelhäusern und Einkaufszentren und deren dazu gehörigen Parkplätzen geschult. Hinten links ragt das neue Stadion über die alten Tribünen hinaus. Wir gehen um die Kongresshalle zurück, in deren einem Flügel das Nürnberger Sinfonieorchester und in deren anderem Flügel das Dokumentationszentrum untergebracht sind, bis wir wieder am Auto sind. Und steigen ein.
Lage des Dutzenteichs mit Reichsparteitagsgelände in Nürnberg
Weitere Infos/Links zum Reichsparteitagsgelände und Dutzendteich in Nürnberg. Bitte anklicken.
Dutzendteich Nürnberg
Reichsparteitagsgelände
Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg
Film Reichsparteitagsgelände, BR 2016, Dauer 29 Minuten