Fünf Seidla auf dem Fünf-Seidla-Steig. Das sind immerhin fünf halbe Liter Bier, die es zu trinken gilt, auf einem Weg von gut zehn Kilometer. Kann das gut gehen? In meinem Fall ging es gut. Schließlich trank ich den Gerstensaft nicht alleine, sondern teilte sie mit meinen beiden Weggefährten, der Lieblingshausziege und dem Mitbewohner, einem echten Franken. Für das Gelingen der Tour sorgt die hinreichende Markierung der Strecke, die uns nur gelegentlich in die Irre führte. Aber das gehört dazu, schließlich führen Umwege zu einer besseren Ortskenntnis. Der Fünf-Seidla-Steig ist eine Wanderung von Brauerei zu Brauerei, von Bier zu Bier, von Biergarten zu Biergarten. Fangen wir also an.
Der Fünf-Seidla-Steig ist ein Rundweg
Loslaufen. Da ein Rundweg rund ist, kann ich ihn gleichermaßen überall beginnen. Jeder Weg beginnt schließlich mit einem ersten Schritt, der Weg, der mich und meine beiden Begleiter in insgesamt fünf Biergärten landen ließ, fing für uns in Thuisbrunn an. Ohne Bier kein Garten, aber Bier ginge selbstverständlich auch ohne Garten. Tische und Bänke stehen hinter Zäunen, auf dass sie stehen bleiben, nicht auf ihren Beinen loslaufen, so eines schönen Tages und es den Wanderern damit gleichtun.
Ob ich den Fünf-Seidla-Steig nun rechts herum oder links herum laufe, ist relativ gleich. In jedem Fall ähnelt der Weg auf der Karte einem prallen Luftballon mit kurzer Schnur. Von dieser Schnur aus gehen wir von Thuisbrunn aus los und müssen uns bald für eine Richtung entscheiden. Außer uns sind ebenfalls Menschen unterwegs, so richtig alleine sind wir auf dem Fünf-Seidla-Steig nirgends, naja, fast wenigstens. Es ist der bekannteste und mit Abstand beliebteste Bierwanderweg Frankens und wird von vielen Wanderern und Wandergruppen frequentiert. Manche Wanderer reisen von weit her mit Bussen an, laufen den Weg und genießen die fränkische Braukunst.
Es geht bergan
Wir wählen der Einfachheit halber den Weg, der uns stracks geradeaus führt. Zwischen Wiesen geht es bis Gräfenberg bergan. Im „Gasthaus zum Stiefel“ hat es schon manchen den Schuh ausgezogen, kalauert der Franke, der mit uns wandert. Wir laufen weiter, suchen im nächsten Dorf den Gasthof, bis uns ein Einheimischer darüber aufklärt, dass wir durch Neusles laufen und nicht durch Hohenschwärz, wie gedacht. Das kommt davon, wenn Wanderer den Ort auf Feld- und Wiesenwegen betreten, an denen kein Ortseingangsschild den Namen verkündet. Das erste Bier trinken wir im nächsten Ort, in Gräfenberg. Ein dunkles Vollbier vom Lindenbräu: „Voll Bier, nicht die Wucht in Dosen“, urteilt der Franke – und der muss es wissen.
Das Reinheitsgebot: Wasser, Hopfen und Gerstenmalz
500 Jahren ist es her, dass der Bürgermeister von Plzen die Fässer voll Bier auf dem Marktplatz auskippen ließ, der Gesundheit seiner Bürger zuliebe. Viele Menschen brauten im Mittelalter noch selbst – und jeder nach seiner Fasson. Ob der Brauer das Bier nun mit altem, eingeweichtem Brot, gemahlenen Knochen oder Sargsplittern aufbesserte, war prinzipiell egal. Grundsätzlich wanderte alles, was vorhanden war, in den Brautopf und verbesserte den Geschmack oder ersetzte nicht vorhandene Zutaten. Leider wurde nicht immer bekömmliches Bier daraus, sondern gelegentlich, nunja, ziemlich ungesundes Gesöff. Daher verordnete die Obrigkeit, dass Bier nur noch aus Gerstenmalz, Hopfen und Wasser gebraut werden durfte. Weil die Wirkung der Hefe damals noch unbekannt war, wurde sie im Reinheitsgebot noch nicht erwähnt.
Bier war einst gesünder als Wasser
Erst die Herstellung nach immer gleichem Rezept erlaubte es den Brauern so zu brauen, dass das Bier nicht nur genießbar, sondern von gleichbleibender und voraussagbarer Qualität war. Schließlich wurde es von vielen getrunken, ganz egal ob sie nun zwei oder zweiundneunzig Jahre alt waren. Das sorgte nicht nur für Ruhe in Kinderzimmer und Schule, sondern verhinderte gleichzeitig, dass die Menschen an Durchfallerkrankungen starben. In einer Zeit, in der Kot, Urin und Abfälle ohne Kanalisation einfach auf den Straßen landeten oder höchstens in einer Grube gesammelt wurden, war schließlich das Trinkwasser nicht immer sicher und sauber.
Jedes Bier schmeckt anders
Als nächstes Bier steht der Ritter Wirnt Trunk der Gräfenberger Brauerei Friedmann auf dem Tisch. Er schmeckt würziger, so dass der Franke milder über ihn urteilte.
Auf der Straße ziehen die Wanderer am gut besetzten Biergarten vorbei, manche wollen einkehren, und müssen umkehren, mangelnden Platzes wegen. Dass fürs Bierbrauen Gerste genutzt wurde, hat übrigens einen ganz einfachen Grund: Sie enthält, ganz im Gegensatz zu Weizen und Roggen, kein Klebereiweiß. Daher lässt sich mit Gerste weder Brot noch Gebäck backen. Das Reinheitsgebot verlangte Gerste zum Brauen, das Brotgetreide blieb daher zum Brotbacken. Ob sich bei einer schlechten Ernte damit die nächste Hungersnot vermeiden ließ, ist allerdings nicht sicher überliefert.
In Richtung Weißenohe geht es weiter
Der Weg führt links weiter in Richtung Weißenohe und die Wolken türmen sich zu hohen Berge auf. Dass wir wirklich in jede Brauerei auf dem Fünf-Seidla-Steig eingekehrt waren, beweist der Stempel jeder Brauerei auf dem kleinen Kärtchen.
In Weißenohe löscht altfränkisches Klosterbier den Durst. Ein Schild verspricht den Bierhimmel, doch mir schmeckt es eher limonadig und auch der Franke ist nicht ganz glücklich damit. Bevor Carl Linde den Kühlschrank erfand, nutzten die Menschen übrigens Höhlen, Keller und Gewölbe als natürliche Kühlung fürs Bier. Schließlich war dieses andernfalls nicht lange haltbar. Die Nürnberger mussten beispielsweise auf Erlass ihres Bürgermeisters Gänge in den Sandstein unter ihren Häusern graben und die Oberfranken gruben ihre Keller in die Berge. Daher heißt es ja bis heute „Auf den Kellern“, wenn eben oberhalb des Kellers Bier ausgeschenkt wird.
Von Weißenohe nach Gräfenberg
Als wir hinter Weißenohe gleich den ersten Weg nehmen und den Berg hinaufsteigen, läuten die Glocken. Kurze Zeit später führt er uns allerdings wieder steil nach unten und zurück ins Dorf. Also wählen wir den nächsten Abzweig, an dem es noch weiter nach oben geht. Hätten wir nicht den bequemen Weg gewählt, wären wir nicht doppelt gelaufen. Aber es geht im Leben und auf einem fünf-Seidla-Steig nicht immer geradewegs zum Ziel. Oben angekommen, ragt ein Funkmast in die Höhe und stellt die Verbindung auch in der Gegend sicher, die weitab von Straßen und Zivilisation scheinen. Es geht zurück nach Gräfenberg, hoch zum Biergarten Bergschlösschen über eine Treppe, an der „privat“ steht, aber wir sind ja privat da. Weil es an der Zeit ist, wählen wir Kaffee und Kuchen.
Unterwegs mit Musik
Hoch über dem Kriegerdenkmal führt der Weg in Richtung Hohenschwärz weiter.
Liefen wir bisher recht einsam, wird es plötzlich belebter. Eine Gruppe Jungs spielt auf Instrumenten, bei der nächsten Gruppe plärrt ein Radio. Wir gehen schneller, wollen die anderen Wanderer überholen und dabei unsere Ruhe wiederfinden. Warum gehen Menschen gerne mit Musik? Fällt den Füßen die Entfernung weniger auf, wenn die Wege durch Takte gegliedert sind? Schließlich marschierten einst selbst die Soldaten mit Gesang bis weit nach Russland hinein. Nur die Flüchtlinge heutzutage gehen leise, sie wollen Grenzen ungesehen passieren und nicht zurückgewiesen werden. Das funktioniert besser, wenn sie nicht auffallen, sich ducken, die Kapuze über den Kopf ziehen und in der Menge untertauchen.
Das letzte Stück des Fünf-Seidla-Steiges
Hohenschwärz. Das vierte Bier. Die Bedienung eilt, doch es dauert.
Es schmeckt bitterer als die vorherigen. Also wurde hier beim Brauen mehr Hopfen verwendet.
Jetzt, nach diesem Bier bin ich froh darüber, dass wir uns sämtliche Biere geteilt und ich keines allein getrunken habe. Andernfalls wären mir sicherlich sonst die Füße schwer und die Augen müde. Doch so kann ich immer noch den verbleibenden Rest des Weges wandern. Es geht zurück nach Thuisbrunn und der Kreis schließt sich. Beim Elch-Bräu gibt es das fünfte Seidla, den fünften Stempel, wir packen das fünfte Bierfilzchen ein und bekommen als Belohnung den Fünf-Seidla-Krug. Ab jetzt kündet dieser zu Hause vom Ruhm: Der Weg ist gemeistert.
Ausgangspunkt am Gräfenberger Bahnhof
Karte Fünf-Seidla-Steig zum Herunterladen als pdf
Weitere Links
Andere Bierwanderwege in der Region Fränkische Schweiz.
Braukultur im Naturpark Fränkische Schweiz
Liste der 74 Brauereien in der Fränkischen Schweiz
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